Das Tetralemma – eine spannende Methode im Coaching und in der Therapie
Haben Sie schon einmal vom Tetralemma gehört?
Wir kennen alle den Begriff des „Dilemmas“, denn mit Sicherheit hat jeder von uns schon einmal in einem „Dilemma“, also in Schwierigkeiten gesteckt.
„Dilemma“ steht für 2 (di) Annahmen (lemma), also einem Problem mit zwei Lösungen, die beide nicht ideal sind, eine Entscheidung also nicht leicht fällt. Mit diesem Hintergrund lässt sich ableiten, dass das „Tetralemma“ für 4 Annahmen steht: also für eine Problemstellung mit 4 bzw. mehr Lösungen.
Wir neigen in unserem Alltag sehr stark dazu, vieles in Dualitäten bzw. Gegensatzpaaren zu sehen: <gut/böse>, <Leben/Tod>, <Himmel/Hölle>, <Tag/Nacht>, <schwarz/weiß>, <ja/nein>. So ist es dann auch bei Entscheidungen – wir stecken dann eben im Dilemma zwischen zwei Möglichkeiten fest.
Im Coaching und in der Mediation ist es wichtig, diese Enge und diese Begrenztheit aufzuweiten und es dem Klienten zu ermöglichen, auch andere Lösungen zu erkennen und überhaupt zu sehen, dass es weit mehr Lösungen als nur zwei gibt. Hier ist das Tetralemma eine sehr hilfreiche Methode. Es dient der Überwindung von feststeckendem, dualem Denken und hilft, viele Wahlmöglichkeiten und Aspekte ins Bewusstsein zu bringen.
Das Tetralemma entstammt der indischen, vom Buddhismus geprägten Logik und wurde von Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd für den Bereich der systemischen Strukturaufstellungen adaptiert.
Ziel ist es dabei, den Entscheidungs- und Handlungsraum beim Vorliegen eines „Dilemmas“ zu erweitern.
Das Anwenden des Tetralemmas ist dabei ein kontinuierlicher Prozess, in dem es keine Lösung im eigentlichen Sinne gibt. Es handelt sich vielmehr um einen Prozess, den man sich in einer Art aufsteigender Spirale vorstellen kann.
Ausgegangen wird von zwei Entscheidungsmöglichkeiten:
- 1 – dem Einen (A), in der Regel der Lösung, die wir im Moment für die „richtige“ halten und zu der wir mehr tendieren und
- 2 – dem Anderen (B), in der Regel die Lösung, die wir eher ablehnen und für die „falsche“ halten.
Aus diesem Dilemma kommt man zu einer dritten Position:
- 3 – dem Beides, dem „Sowohl als auch“ (A+B=C). Es kann sich hier z.B. um einen Kompromiss handeln, wie das Eine mit dem Anderen verbunden werden kann. Zum Beispiel Zeit für Beruf und Familie. Es kann aber auch bedeuten, dass man auf einmal sieht, dass die ursprünglichen Gegensätze sich vereinbaren lassen. Oder wir erkennen durch das Heraustreten aus dem Dilemma, dass das Eine das Andere enthält, so wie Ying das Yang enthält und umgekehrt.
Im nächsten Schritt geht es darum, den Blick noch mehr zu weiten, indem man eine vierte Position einnimmt:
- 4 – das Keines von Beidem, das „weder noch“ (weder A noch B=D). Hier schaut man sich den Konflikt von einer Außenposition an: wie kam es zu dem Konflikt, was steht eigentlich hinter dem Dilemma? Warum glaube ich, dass ich mich nur zwischen zwei Lösungen, der Einen oder der Anderen, entscheiden muss? In welchem Kontext macht das Dilemma Sinn, welchen Nutzen ziehe ich eventuell unbewusst daraus?
Und mit dem fünften Schritt gehen wir über die vierte Position hinaus und negieren wir alles, was wir bisher überlegt haben. Es ermöglicht uns, uns von allen vier vorhergehenden Positionen zu lösen und aus dem engen Fragenkomplex herauszutreten:
- 5 – „All dies nicht und selbst das nicht“ (weder A, B, C, D=E). Hier geht man davon aus, dass keine der vorherigen Positionen einen vollständigen, umfassenden Standpunkt darstellt und dass es keinen „absoluten“ Standpunkt gibt, der alles berücksichtigt und umfasst.
Geht man bis zur fünften Position, dann erreicht man eine neue Ebene. Es ist, als ob man eine Pyramide erst einmal umläuft und dann eine Stufe aufsteigt, um von hier aus erneut zu beginnen, von einem neuen Standpunkt aus. Im Coaching oder in der Mediation reicht es aber oft schon aus, die ersten 4 Schritte zu gehen. Allein das führt schon zu einer Weitung der Sichtweise und einer Auflösung verfestigter Meinungen.
Die ersten Schritte bewegen sich alle im Bereich der Form. Der fünfte Schritt führt in den Bereich der Formlosigkeit, dem“Bereich“ reiner Potenzialitaet, meditativ in den Bereich reinen Gewahrseins. Von hier aus ist ein Neubeginn möglich.